Von guten Mächten wunderbar geborgen

Predigt zum 31. Dezember 2020 von Pfarrer Patrick Mauser

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiß an jedem neuen Tag.


Liebe Gemeinde,

diese Zeilen von Dietrich Bonhoeffer gehören für viele Kirchgänger an Silvester ganz fest zum Gottesdienst. Verständlich. Man steht doch vor einem neuen Jahr und fragt sich so manches. Es ist doch eigentlich seltsam – wegen ein paar Minuten und dem Glockenschlag um 0:00 Uhr beginnt ein neues Jahr. Wir sind nur ein paar Minuten älter und doch ist dieser Moment ein Einschnitt: die Uhren stellen sich um, neue Kalender müssen aufgestellt werden und am nächsten Werktag sind die Gebühren für die Versicherungen fällig. Manchmal passiert aber auch denkwürdiges: zum Beispiel, dass am 01.01.2002 anderes Geld aus dem Bankautomaten kam.

Im Grunde ist es aber eher eine Zäsur im Kopf, eher künstlich. Daher schließen wir am Altjahrabend etwas ab und fragen uns, was Neues kommt. Wir denken nach über das, worauf wir uns freuen und über gute Vorsätze, Hoffnungen und Sorgen. Besonders nach diesem Jahr liegen so viele Hoffnungen auf einem neuen Jahr, wie schon lange nicht mehr. Gleichzeitig kommen die Sorgen mit im Gepäck, sollte sich davon nichts bewahrheiten.

Neue Hoffnungen und Aufbrüche in Neues gibt es in der Menschheitsgeschichte wohl wie Sand am Meer. Es gibt für Menschen, die immer auch in Richtung unseres Gottes schauen, wenn Neues gewagt werden will, natürlich eine ganz bekannte Geschichte in unserem Gedächtnis. Nämlich der Auszug des Volkes Israel aus Ägyptenland. Es passt also gar nicht schlecht, dass ein Teil daraus der vorgesehene Predigttext für heute ist:

Die Wolken- und Feuersäule
Als nun der Pharao das Volk hatte ziehen lassen, führte sie Gott nicht den Weg durch das Land der Philister, der am nächsten war; denn Gott dachte, es könnte das Volk gereuen, wenn sie Kämpfe vor sich sähen, und sie könnten wieder nach Ägypten umkehren. Darum ließ er das Volk einen Umweg machen, den Weg durch die Wüste zum Schilfmeer. Und die Israeliten zogen wohlgeordnet aus Ägyptenland. Und Mose nahm mit sich die Gebeine Josefs; denn dieser hatte den Söhnen Israels einen Eid abgenommen und gesprochen: Gott wird sich gewiss euer annehmen; dann führt meine Gebeine von hier mit euch hinauf.
So zogen sie aus von Sukkot und lagerten sich in Etam am Rande der Wüste.
Und der Herr zog vor ihnen her, am Tage in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten. Niemals wich die Wolkensäule von dem Volk bei Tage noch die Feuersäule bei Nacht.


„Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus Ägypentland geführt hat“, so stellt Gott sich im Alten Testament oft vor. Wie ein Nachname, der ausdrückt, was jemanden ausmacht. Es gehört zur Identität Gottes, dass er DA ist. Und es gehört zum wichtigsten für das Volk Israel, dass Gott da ist. Alles Gute, das passiert wird mit Gottes Nähe und seinem Tun erklärt. Alles, was schiefläuft, muss auf die Untreue der Israelitinnen und Israeliten zurückzuführen sein.

Das mag für uns heute etwas komisch klingen. So „herrscherisch“, so ein großes Gefälle zwischen Gott und Mensch. Wir im Christentum feierte ja gerade, dass Gott so uns nah wurde, dass er selber ein Mensch wurde.

Im Grunde ist es aber für das Judentum eine sehr nahe und intime Beziehung. Gott, das Heiligste alles Heiligen, ist nahe. Daher leben diese Geschichten so weiter. Der manchmal so gewaltige und sogar gewalttätige Gott des Alten Testaments ist zu sehen und zu hören, fast zum Anfassen für seine Kinder da.

Es ist im Grunde eine Fürsorge durch Präsenz – Kinder schlafen besser, wenn sie wissen, dass Mama und Papa da sind, da müssen sie nicht mal auf dem Arm sein, sondern sie spüren den Trost der bloßen Anwesenheit der Eltern.

So sollten wir uns Gottes Beisein bei seinem Volk vorstellen – wie gute Eltern, die auf ihre Kinder achten.
Nach unzähligen Jahren der Sklaverei in Ägypten also – als das versklavte Volk seinen Gott schon fast vergessen hatte oder dachte, er habe sie vergessen, da soll Mose sie endlich herausführen aus dem Lande Ägypten. In diesem Moment greift Gott DIREKT ein, die Wunder, die Wettstreite mit den Magiern des Pharao, die Plagen, die Verfolgung und schließlich dieses beeindruckende Bild, als das Volk, verletzlich und wehrlos, Neues wagt. In unsicheres Gebiet sich begibt:

So zogen sie aus von Sukkot und lagerten sich in Etam am Rande der Wüste.
Und der Herr zog vor ihnen her, am Tage in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten. Niemals wich die Wolkensäule von dem Volk bei Tage noch die Feuersäule bei Nacht.


Das Bild ist so wunderbar mächtig. Nachts zeigt eine Feuersäule den Israeliten den Weg, bei Tag eine Wolkensäule. Unübersehbar göttlicher Beistand. Niemand würde sich da dem Volk Israel nähern!

Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag.

Ja, so behütet und bewacht, da kann man so manche Herausforderung annehmen. Und jeder, der die Geschichte kennt, weiß, dass trotzdem das Volk immer wieder an Gottes Beisein zweifelte.

Wie geht es Ihnen und Euch heute? Ich wünschte mir an diesem Jahresübergang so ein Zeichen Gottes, dass er da ist. Dass er uns den Weg zeigt als Wolkensäule und in der Nacht meiner trüben Gedanken er eine Feuersäule des Lichts und der Zuversicht für mich wäre!

In dem Weihnachtsfest haben wir eine andere Seite von Gottes Beisein gefeiert:

Er äußert sich all seiner G'walt,
wird niedrig und gering
und nimmt an eines Knechts Gestalt,
der Schöpfer aller Ding.


So dichtete Nikolaus Herman in „Lobt Gott, ihr Christen alle gleich“.

Gottes „Gewalt“, also seine Macht, die wandelte sich auf ein anderes Beisein. Das Beisein im Kleinen, Ruhigen und vor allem im Persönlichen. Im Geist Gottes, gleichzeitig bei allen Menschen, groß ob klein, egal auf welchem Kontinent auf dieser wieder so großen und komplizierten Erde und diesen schweren Zeiten.

Und dennoch liegt das gleiche Versprechen aus dem ersten Testament: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus Ägypentland geführt hat“ neben dem aus dem zweiten Testament: „Siehe, ich bin bei Euch alle Tage, bis an der Welt Ende“ hier vereint. Die gleiche Macht, Fürsorge und der gleiche Gott ist für uns hier: vor einem Übergang in ein neues Jahr. Und hier für alle unsere Sorgen und unsere Gebete.

Wir können ihm genau so bei seinem Versprechen nehmen, wie das Volk Israel damals. Genauso, als wäre er als Feuersäule vor uns auf dem Weg nach 2021. Diese guten Mächte, wollen uns weiterhin bergen und begleiten. Auch in schwere Zeiten. Und in den schwersten menschlichen Stunden konnte Bonhoeffer dies schreiben, nicht wissend, dass wir heute am Altjahresabend diese Worte nochmal hören:

Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiß an jedem neuen Tag.

AMEN.

Pfarrer Patrick Mauser

 

Wochenspruch

"Meine Zeit steht in deinen Händen." | Ps 31,16a
 

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